„Der Fasching ist eine Zeit des Übergangs“, sagt Raphaela Hemet. „Eine Periode, die chaotisch ist, in der die Ordnung ins Gegenteil verkehrt wird.“ Danach könne eine neue Phase begonnen werden, in der die Gesellschaft wieder zu sich finde. Das stärke zugleich die Gruppendynamik.
Feuer steht dabei immer wieder im Fokus. Etwa wenn die Kölner:innen zum Ende des Karnevals eine Strohpuppe anzünden. Oder in Vorarlberg die Funkenhexe verbrannt wird. Doch warum fallen gerade Frauen-Figuren zum Opfer? „Es hat damit zu tun, dass der Winter die Natur symbolisiert und diese wiederum mit dem Weiblichen assoziiert wird“, fasst Hemet zusammen. Zudem spiegeln die Bräuche, die häufig erst ab dem 19. Jahrhundert tradiert sind, ein patriarchales Weltbild wider.
Freie Mitarbeiterinnen des Christentums
Folkloristische Frauengestalten wirken auch im Christentum weiter. Etwa die „Perchta“, die die Religionswissenschaftlerin in ihrer Dissertation ganz besonders im Blick hat. Dabei handelt es sich um eine alte Frau, die – ähnlich wie auch Frau Holle – die Menschen im Fall vernachlässigter Arbeit oder schlechten Benehmens bestraft, und als Winterdämonin verstanden werden kann. Damit nehmen sie dem Christentum gewissermaßen Arbeit ab. „Folklore ergänzt häufig das Angebot offizieller Religionen oder gleicht deren Fehlstellen aus“, begründet die Doktorandin. Diese laut Hemet „freien Mitarbeiterinnen des Christentums“ sind für das Ahnden von Verstößen während der Feiertage, insbesondere zwischen Weihnachten und 6. Jänner, zuständig. „Sie können aber auch in der Faschingszeit auftreten, vorausgesetzt es findet ein Festtag statt“, beschreibt Hemet. Galt doch zu wichtigen Anlässen ein strenges Arbeitsverbot, das Winterdämoninnen bei Nichteinhalten sanktionierten. In der Vorstellung des Volksglaubens war dann die Strafe dem Vergehen gleichgesetzt. Das Prinzip erklärt die Forscherin an einem Beispiel: „Hatte eine Spinnstubenfrau ihr ganzes Flachs nicht rechtzeitig fertiggesponnen, wurde ihr eine an das Material angelehnte Behandlung angedroht, sie musste mit Verbrühen und Aufhängen rechnen.“
Wissenschaft in drei Minuten
Raphaela Hemet ist nicht nur Nachwuchswissenschaftlerin. Sie unterstützt auch ihre akademischen Kolleg:innen an der Uni Graz. Als Mitarbeiterin der Doctoral Academy betreut sie Veranstaltungen wie die 3-Minute-Thesis-Competition am 14. März 2025. Im Literaturhaus stellen junge Forscher:innen ihre Arbeiten in kurzweiligen Präsentationen in nur drei Minuten vor.
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