Im Zentrum steht das "Evangelium der Kinder" (Markus 10,13-16). Jesus stellt ein Kind in die Mitte und macht es zum Vorbild der Erwachsenen. Verkehrte Welt! Wo doch normalerweise die Kinder den Erwachsenen gleich werden sollen, sind jetzt die Kinder den Erwachsenen ein Vorbild. Eine Herausforderung für alle, die diese Botschaft hören, aber auch für die, die diese Botschaft interpretieren. Wie sprechen kubanische Fraun über Kinder als "Mitte" ihres Lebens, über ihr eigenes "Kind werden"? Der Gottesdienst-Text zum Weltgebetstag gibt eine eigene und für uns oft überraschende Antwort. Die kubanischen Christinnen stellen beispielsweise neben das "Evangelium der Kinder" das Bild vom großen Frieden zwischen den Geschöpfen in Jesaja 11,1-16.
Die Kombination ist völlig ungewöhnlich und passt doch wunderbar. Die Verbindung liegt in der Hoffnung auf die Königsherrschaft Gottes und das vollkommene Leben, das sie mit sich bringt. Die Verletzlichkeit und Rechtlosigkeit der Kinder, den schwächsten Gliedern der Gesellschaft, wird bei Jesus zur Herausforderung für jene, die Gottes Herrschaft suchen. Wie es die Kinder machen, ist der Weg, das Reich Gottes zu finden. Und wie es den Kindern ergeht, ist der Maßstab dafür, ob das Reich Gottes nahe oder fern ist. In ganz ähnliche Richtung geht das Jesajabuch mit seinem großen Friedenstraum. Die Herrschaft Gottes verwirklicht sich im Friedennicht nur zwischen den Menschen, sondern zwischen den Geschöpfen insgesamt. So wie es einst im Paradies kein Fressen und Gefressenwerden gab, so wird es auch am Ende wieder sein. Wenn sich Gottes vollendete Gerechtigkeit für alle Lebewesen durchgesetzt hat, dann kann sogar das Kind gefahrlos mit Giftschlangen spielen.
Dass solcher Friede das Menschenmögliche übersteigt, liegt auf der Hand. Und doch sind die biblischen Friedensbilder mehr als nur Träume. Sie stiften Hoffnung in hoffnungsloser Zeit, sie stärken den Schwachen den Rücken und laden die Starken ein zur inneren und äußeren Abrüstung. Den Großen eröffnen sie Abstiegschancen und machen die Lebenschancen der Kinder zu Richtschnur und Maßstab für Denken und Handeln aller, die Gottes Königtum suchen.
Dieses Heft will Hintergrund und Botschaft der Bibeltexte, die die Kubanerinnen wählten, vertiefen und dem Zusammenhang von Kind und Reich Gottes nachgehen. Zugleich wollen wir über den konkreten Anlass hinaus dazu einladen, sich intensiver mit zwei Schlüsseltexten der biblischen Botschaft zu befassen und zu entdecken, wie viel Hoffnungspotential in solch alten Texten auch heute noch steckt.
Das Kind in der Mitte - eine Einladung, Gottes Liebe zu den kleinen Leuten zu spüren und selber zu Kindmenschen zu werden, die mithilfe der göttlichen Geistmacht darauf verzichten können, andere Menschen klein zu machen. Wenn unser Heft ein wenig Lust wecken könnte, sich auf diese Einladung einzulassen, dann hätte sich unsere Arbeit mehr als gelohnt und wir würden uns freuen wie ein Kind.
Ulrike Bechmann und Joachim Kügler
Herausgeber: Katholisches Bibelwerk, Stuttgart
ISBN: 3-978-944766-72-0
Am Institut erhältlich mit einem Sonderpreis von 4,00 Euro