"Ein Volk, das im Dunkeln wohnt, sieht ein Licht ..." (Jer 9,1), mit diesem Prophetenwort beginnt der Gottesdienst zum Weltgebeetstag 2022. Dieses Licht sehen die Frauen in der Verheißung, die der Prophet Jeremia (Jer 29) gibt und die im Zentrum des Gottesdienstes steht. Eine Verheißung auf eine Zukunft, auch wenn sie nicht den eigenen Hoffnungen entspricht.
Frauen aus England, Wales und Nordirland entwickelten diesen Gottesdienst noch vor Corona und vor dem Brexit. Liest man ihre Liturgie heute, dann scheint sie wie für die Gegenwart geschrieben. Hoffnung auf Zukunft, obwohl jetzt die Pandemie noch läuft. Hoffnung auf Zukunft, obwohl nach dem Brexit alte Gräben in Irland wieder aufbrechen. Hoffnung auf Zukunft für alle, die sich heute im Exil befinden - angesichts der vielen Menschen, die auf Zukunft in Europa hoffen, aber in Lagern festsitzen, die im Mittelmeer ertrinken oder mit wenig Chancen es doch bis hierher geschafft haben. Weitere Fragen der Zukunft stehen an: Was wird mit dem Klima, seiner Veränderung und den Folgen?
Menschen im Exil hat es immer gegeben, leider. Die Verschleppung der Israelit*innen nach Babylon ist im Verlauf der Jahrtausende eine von unzählingen Katastrophen. Für die jüdische Geschichte, für die biblischen Texte, für die Glaubensgeschichte war dieses Exil aber bahnbrechend in vielerlei Hinsicht. Hier fand der Monotheismus zu seinem Durchbruch. Weite Teile der prophetischen Bücher befassen sich damit - und kommen zu unterschiedlichen Schlüssen. Jeremia 29 gehört sicher zu den überraschendsten Texten: "Sucht schalom, Frieden für die Stadt...". Den Hintergrund dieses Texts anzusehen lohnt sich, denn wie kann so etwas Verheißung auf Zukunft sein? Und wie kommen die Frauen aus England, Wales und Nordirland darauf, dies für ihren Gottesdienst zu nehmen? Diese Fragen stehen hier im Mittelpunkt - um Zukunft und Hoffnung zu gewinnen.
Ulrike Bechmann